Unser 12-Punkte-Plan für Energiesicherheit und Entlastung
Putins Krieg gegen die Ukraine ist eine humanitäre Katastrophe, die uns gleichzeitig vor Augen führt, wie verletzbar wir als Gesellschaft sind. Ein Despot, der uns Rohstoffe liefert, kann uns im wahrsten Sinne des Wortes den Gashahn abdrehen. Die Auswirkungen bekommen die Bürgerinnen und Bürger auch in immer weiter steigenden Energiekosten zu spüren. Aber dagegen sind wir nicht machtlos.
Die Bundesregierung hat in Reaktion auf die steigenden Preise bereits ein umfassendes Entlastungspaket in Höhe von bis zu 13 Mrd. Euro auf den Weg gebracht. Die aktuellen Entwicklungen erfordern es aber, die Maßnahmen immer wieder neu zu justieren und nachzusteuern. Um es klar zu sagen: Niemand muss zuhause für Frieden und Freiheit frieren. Es geht darum, wie wir als Staat auf der einen Seite und als Gesellschaft auf der anderen Seite zusammenhalten und so gemeinsam mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für eine dauerhafte Entlastung sorgen, die allen Bürgerinnen und Bürger zugutekommt. Hierzu kann jede und jeder von uns einen Teil beitragen.
Vor diesem Hintergrund schlagen wir folgenden Punkte vor, um für Energiesicherheit und Entlastung zu sorgen:
1. Erhöhung des Heizkostenzuschusses: Im Rahmen des ersten Entlastungspakets hat die Ampel-Koalition einen Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger in Höhe von 135 Euro beschlossen. Für Zwei-Personen-Haushalte sind 175 Euro vorgesehen, für jeden weiteren Mitbewohner je 35 Euro. Diese Zuschüsse dürften für die Betroffenen kaum reichen. Wir schlagen daher mindestens eine Verdopplung der Zuschüsse vor.
2. Sofortzuschläge für Bezieher von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung und Sozialhilfe: Auch hier sollten die bisher vorgesehenen Zuschüsse in Höhe von 100 Euro deutlich erhöht werden, um kurzfristig für Entlastung zu sorgen.
3. Energiegutscheine für die meisten Haushalte: Neben den von der Ampel-Koalition bereits auf den Weg gebrachten Zuschüssen sollten vorrangig einkommensschwächere, aber auch Haushalte bis in die breite Mittelschicht pauschal einen Energiegutschein bekommen, um sie zu entlasten. Bei der Bezugsgruppe ließe sich hier wie bei der Abschaffung des Solidaritätszuschlags verfahren: Wer keinen Soli mehr zahlt (Buttojahreseinkommen unter 73.000 Euro bei Alleinstehenden beziehungsweise 151.000 Euro bei Verheirateten), sollte den Energiegutschein bekommen. So werden etwa 90 Prozent der Einkommensbezieher, das sind 4-5 Millionen Haushalte in NRW, entlastet. Nach dem Vorbild Frankreichs können die Schecks direkt zur Bezahlung von Strom- und Gaspreisen genutzt werden. Die aktuellen Preissteigerungen werden erst im weiteren Verlauf des Jahres oder erst 2023 voll durchschlagen. So bliebe Zeit, die Verteilung der Energiegutscheine rechtzeitig zu organisieren.
4. Sprit-Nachlässe für Autofahrerinnen und Autofahrer: Außerdem sollten zeitlich befristet Energiegutscheine für Autofahrerinnen und Autofahrer eingeführt werden, sodass ein fester Preisnachlass von 20 Cent pro Liter Kraftstoff direkt an der Kasse gewährt wird. Die Tankstellenbetreiber bekommen den Nachlass anschließend vom Bund erstattet. Dies bringt über die Pendlerpauschale hinaus eine schnelle Entlastung für alle, die auf ihr Auto angewiesen sind.
5. Reduktion der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß: Zur Kostenentlastung für Unternehmen und Verbraucher schlagen wir vor, die Stromsteuer von derzeit 20,50 Euro pro MWh auf das Minimum zu reduzieren, das die Vorgaben der EU erlauben (derzeit 0,5 Euro pro MWh).
6. Wir halten zusätzlich zu den als akute Soforthilfe konzipierten Energiegutscheinen perspektivisch eine Klimaprämie pro Kopf und Jahr in
Höhe von 100 Euro für richtig: Diese wird allen Menschen im Land ausgezahlt, um die Einnahmen aus den nationalen CO2-Zertifikatepreis zurück zu verteilen und die hohen Energiepreise mit sozial gerechtem Verteilungseffekt abzufedern. Dabei werden kleine und mittlere Einkommen, die im Schnitt deutlich weniger Energie verbrauchen, stärker entlastet als die besserverdienenden Großverbraucher.
7. Energieeinsparung in öffentlichen Gebäuden: Mit nur einem Grad weniger Raumtemperatur reduziert man den Gasverbrauch schon um 6 Prozent. Angesichts von rund 8 Mrd. Kubikmetern Gesamtverbrauch von Haushaltskunden in NRW wären das rund 500 Millionen Kubikmeter an Einsparpotenzial. Das entspricht rund 100 Millionen Gasflaschen (11 kg), die wir weniger von Putin beziehen würden. Es geht aber nicht nur darum, was jede und jeder einzelne hier für das Land tun kann. Es geht darum, was hier auch das Land tun kann. Der Gebäudesektor ist für 50 Prozent des deutschen Erdgasverbrauchs verantwortlich. Die Landesregierung sollte daher jetzt schnell zu einem Gipfel für Energieeffizienz einladen und prüfen, wo wir insbesondere in öffentlichen Gebäuden Energie einsparen können. Daneben soll die Landesregierung gemeinsam mit der Verbraucherzentrale, den Energieberaterinnen und -beratern der Schornsteinfegerinnung und dem Handwerk eine Energiesparberatungsoffensive ab Mai 2022 mit kostenlosen Heizungs- und Stromsparchecks organisieren.
8. Sanierungswelle auslösen: Innovation City in Bottrop hat es vorgemacht. Seit Beginn des Projekts in 2010 konnte die Sanierungsquote bei den Gebäuden auf 3 Prozent verdreifacht und der CO2-Ausstoss um 50 Prozent reduziert werden, ohne dass die Mieten explodiert sind. Mit einem landesweiten Roll-out von Innovation City auf ganz NRW ließe sich eine Sanierungswelle starten. Hierfür brauchen wir eine Fördergarantie des Landes für Gebäudesanierung: Binnen 10 Jahren lassen sich nach dem Vorbild von Bottrop mit einer Investitionssumme von 24 Mrd. Euro 1.000 Quartiere energetisch sanieren – mit entsprechenden Einsparungen bei den Treibhausgasen, Wirtschafts- und Beschäftigungseffekten von etwa 23.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen und einer Bruttowertschöpfung von 16 Mrd. Euro. Das Land soll hier eine Vorreiterrolle übernehmen, indem eine zentrale Stelle Energieeffizienz beim BLB für alle landeseigenen Gebäude eingerichtet wird, die auch die Kommen bei der energetischen Überprüfung der 6.000 Schulen im Land unterstützt. So könnten bis zum Beginn der Heizperiode erste Sanierungsarbeiten für 10 Prozent der Landesgebäude (die mit der schlechtesten Effizienz) eingeleitet werden.
9. Forcierter Ausbau der Erneuerbaren Energien: Das Land hat seine selbst gesteckten Ziele beim Ausbau der Windkraft weit verfehlt. Jetzt geht es darum, hieraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Um mehr Tempo beim Windkraftausbau zu machen, muss die Bremse der Abstandsregel gelöst werden. SPD und Grüne haben hierzu jetzt einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Abstandsregel bei Windkraftanlagen vorgelegt.
10. Transformation der Wirtschaft vorantreiben: Wir müssen Unternehmen dabei unterstützen, ihre Geschäfts- und Produktionsprozesse klimaneutral umstellen zu können. Hierzu haben wir schon lange die Einrichtung eines Transformationsfonds in Höhe von 30 Mrd. Euro vorgeschlagen. Hiermit stärken wir die Investitionsfähigkeit der Unternehmen und machen sie unabhängiger in der Energieversorgung.
11. Verlängerung der Home-Office-Regelung: Wer zuhause arbeiten kann, muss sich nicht ins Auto setzen. Anstatt die Homeoffice-Regelungen mit den tiefgreifenden Corona-Schutzmaßnahmen auslaufen zu lassen, sollten wir sie als Chance begreifen, um Energie sparen zu können. Sie sollte daher mindestens bis zur Mitte des Jahres verlängert werden.
12. Temporäres Tempolimit einführen: Energiesparen ist mehr als Umweltschutz. Das gilt im Übrigen auch für ein allgemeines Tempolimit. Auch wenn es im Koalitionsvertrag der Ampel nicht vorgesehen ist – die jetzige Situation sollte für uns alle Anlass sein, noch einmal mit neuem Blick auf diese Frage zu schauen. Zurzeit gehen viele schon von sich aus vom Gaspedal. Mit einem allgemeinen Tempolimit ließe sich auch auf diese Weise eine Menge Energie einsparen. Das schont zudem das Klima und das Portemonnaie. Das Tempolimit sollte wissenschaftlich begleitetet werden um dann die tatsächlichen Einsparquoten bei Kraftstoff, CO2 praxisnah zu erfassen.